filmlounge 2021
Resonanz und Resilienz
15.-17. September 2021
Beginn jeweils 18:00
Eintritt ist frei, um Anmeldung wird gebeten, unter: info@sehsaal.at
Programmübersicht:
Davor jeweils: Einführung durch die Künstlerinnen
Danach jeweils: Publikumsdialog, Moderation: Siglinde Lang, Kuratorin
Mi., 15.9. 2021, 18:00
Annja Krautgasser: wirklichkeiten (entgegen)treten
(Experimentalfilme)
Around and Around, 2007, 1:40 min
Dachszenen, 2018, 19:01 min
Talszenen 1.0., 2020/21, 21:03
Do., 16.9. 2021, 18:00
Carola Mair: liebes:leben
(Dokumentarfilm)
Liebes:Leben / ein Film über den Aufbruch von Frauen, AT 2020, 43 min
Fr., 17.9. 2021, 18:00
Simone Hooymans: drawings in (e)motion
(Animationsfilme)
Earthfall, 2019, 6:19 min
Broken Horizon, 2008, 4:48 min
After Office Hours, 2012, 4:34 min
Rett Ned, 2017, 6:57 min
All that space between us, 2018, 5:00 min
Talking Plants, 2020, 6:07 min
Im Vorjahr erstmals als neues Format im sehsaal eingeführt, bietet jeder der drei Filmabende eine Einführung durch die Künstlerinnen sowie einen von Siglinde Lang [buero-kwp.net] moderierten und offenen Publikumsdialog. Der Seh-Genuss in Wohnzimmer-Atmosphäre wird nicht nur mit Gesprächen, sondern auch mit Wein & Brot, Bier & Chips, Wasser & Keksen verbunden.
Resonanz als Tendenz einer sich anpassenden und Resilienz als Tendenz einer widerständigen Kraft, die auf veränderte Lebensbedürfnisse, externe Einflüsse und sich wandelnde Umwelten reagiert. Diese beiden Pole umfassen als Jahresthema den Rahmen für die diesjährige Filmlounge: Aus unterschiedlicher künstlerischer, thematischer und auch persönlicher Perspektive blicken die drei Filmemacherinnen Annja Krautgasser, Carola Mair und Simone Hooymans auf Relationen von Mensch & Umwelt, auf Selbstbild & Fremdeinwirkung, auf Natur und Zerstörung – und fragen nach dem individuellen Gestaltungs-/Handlungsraum, den jede und jeder in Zeiten der Veränderung einnehmen, vielmehr ausfüllen könnte.
annja krautgasser
wirklichkeiten (entgegen)treten
15.09.2021, 18.00
„Die Frage nach Selbstbestimmung versus Fremdbestimmung – Resonanz und Resilienz – begleitet mich seit Jahren und zieht sich als roter Faden durch meine Arbeit: Rückzug in die Isolation, Flucht in eine Naturlandschaft, Suche nach der eigenen gesellschaftlichen und politischen Position und Haltung. Den Horizont, die Dachlandschaft oder die Kargheit der Bergwelt verwende ich dabei als metaphorische Bühne. Sie umschreiben für mich gesellschaftliche Normen aus Kultur und Tradition, die, umgelegt auf ihre Symbolik, einiges über Macht- und Rollenzuschreibungen aussagen."
Die Künstlerin und Filmemacherin Annja Krautgasser beobachtet sehr, sehr genau: gesellschaftliche Manifestationen, subjektive Reibeflächen und rezeptive Wahrnehmungsmuster. Diese Beobachtungen - in ihrer Verwobenheit von (Um)Welt und Individuum - transformiert sie in filmische Sequenzen: Diese präzisieren sich mittels realer, zumeist dennoch surreal verzerrt wirkender Bild- und Handlungskulissen, mittels figurenhafter Protagonistinnen, mittels der Kombination aus dokumentarischen und künstlerischen Stilelementen sowie einer experimentellen Sound- und Tonauswahl zu kompakten Erzählsträngen.
Annja Krautgasser wurde 1971 in Tirol geboren und studierte Architektur an der Universität Innsbruck und Visuelle Mediengestaltung/Neue Medien an der Universität für angewandte Kunst Wien. Ihre künstlerischen Arbeiten sind geprägt durch die Formate Video, Performance und Partizipation und thematisieren die stete Verbindung zwischen Individuum und sozialem Raum. Zahlreiche Einzel-/Gruppenausstellungen und Stipendien im In- und Ausland.
Around and Around, 2007, 1:40 min
Eine der ersten filmischen Arbeiten von Annja Krautgasser experimentiert mit der „Ordnung der Sichtbarkeit“ (Richard Braun) und den dem Filmischen spezifischen Techniken von Stillstand und Beschleunigung, von Schnitt und Montage, von dem visuell Gezeigtem und den Nuancen des Sehbarem.
Dachszenen, 2018, 19:01 min
Michelle Koch (Diagonale Filmfestival Graz) beschreibt die Handlung von Dachszenen als perspektivische Annäherung an formale, jedoch individuell wahrgenommene Stadtarchitekturen: Vier Frauen blicken auf eine Stadt. Von weit oben nehmen sie diese aus einer Perspektive der Isolation buchstäblich unter die Lupe: ein urbaner Raum, eingeteilt in Wohnparzellen, Dächer, Straßenstrukturen, Blöcke, in und auf denen sich vereinzelt Alltagsszenen beobachten lassen. Die Stadt scheint dem Leben seine Form zu geben. In Vor-Corona-Zeiten gedreht, entwickelt Dachszenen unter heutiger Rezeption eine zeitlich versetzte Aktualität. Was und wie beobachten wir, wenn wir auf den uns unmittelbar umgebenden Raum blicken, der uns - ob selbst- oder fremdbestimmt - als solcher zu isolieren und abzuspalten vermag? Aus dem Off werden vier Protagonistinnen fragmentarisch charakterisiert, deren Blickwinkeln und Erzählstränge sich ineinander verschachteln und zunehmend zu einem sehnsuchtsvollen Ganzem komprimiert wirken.
Talszenen 1.0., 2020/21, 21:03
Das aktuelle Filmprojekt Talszenen basiert auf einem der ältesten Dokumente rätoromanischer Oralliteratur. In mystisch anmutender Naturkulisse inszeniert Annja Krautgasser das Canzun de Sontga Margriata als filmische und stimmgewaltige Erzählung. Die Geschichte, das „Lied“, von der heiligen Margriata, die aufgrund eines Verrates ihr Tal verlassen und damit auch ihr geliebtes Leben aufgeben muss, wird in Talszenen zu einem zeitlosen Filmdokument über die Angst vor dem Unvorhersehbaren und vor Vergänglichkeit. Über die Frauenfigur der Margriata, die als Mann verkleidet ein einfaches Hirtenleben führt, wird diese Angst vor allem als Verlust eines paradiesischen Ist-Zustandes erfahrbar, der sich in einer Existenz im Einklang mit der Natur, mit dem eigenen Tun, mit dem sich selbst gewählten und kreiertem Leben ausdrückt.
carola mair
liebes: leben
16.09.2021, 18.00
„Liebes:Leben ist ein sehr persönlicher Film über das Geheimnis von Mut, Resilienz und letztlich befreienden Lebensmodellen. Denn in der Auseinandersetzung mit Lebenskrisen, dann, wenn etwas im Leben aus der Harmonie geraten ist, erinnert man sich an die stabilisierende Wirkung der inneren Taktgeber wie Körper- und Selbstbewusstsein.“
Mit ihren kraftvollen, nachdrücklichen Dokumentarfilmen greift Carola Mair gesellschaftliche Tabuthemen auf, gibt marginalisierten Personen eine Stimme, ein Gesicht und eine Öffentlichkeit. In ihrem aktuellen Film Liebes:Leben lässt sie drei starke Frauen, die anonym bleiben (wollen), von ihren Gewalterfahrungen im eigenen Haushalt erzählen – und wie sie sich von diesen befreien, diese überwinden. Die Protagonistinnen im Film erinnern sich an ihre inneren Kraftquellen, entdecken ihren Körper und sich selbst neu, sehen sich als Teil der Natur und spüren das pulsierende Leben ihrer eigenen Existenz. Den unmittelbaren, sehr persönlichen Einblicken und Reflexionen stellt Carola Mair performative Szenen gegenüber, die sich mit dem Erzählten künstlerisch auseinandersetzen. Auch Sozialarbeiterinnen kommen zu Wort, klären über Mechanismen häuslicher Gewalt auf. Trotz der Schwere des Themas und der emotionalen Betroffenheit, die der Film auslöst, ist auch Leichtigkeit und Offenheit spürbar. Mit Liebes:Leben eröffnet Carola Mair einen diskursiven Raum, der Zivilcourage und Mut stärkt, und individuell anregt, sich – als Frau und Mensch – mit Stärken und Ansprüchen an das eigene „gute“ Leben auseinanderzusetzen.
Carola Mair, geboren 1962 in Attnang-Puchheim, ist eine österreichische Dokumentarfilmerin und Drehbuchautorin. Sie studierte Schauspiel an der Schauspielschule Krauss in Wien und interkulturellen Journalismus an der Universität in Salzburg. Seit 1995 ist sie als Fernsehjournalistin tätig, sowohl für den ORF, als auch für private Fernsehsender. Im Jahr 2001 war sie Regieassistentin bei Andreas Gruber. Im selben Jahr begann sie ihre Tätigkeit als Dokumentarfilmerin. Die meisten ihrer internationalen Filme thematisieren Menschenrechte, Toleranz, Diversität. Im Vordergrund stehen dabei zumeist Frauen und Kinder weltweit.
Liebes:Leben
ein Film über den Aufbruch von Frauen
Dokumentarfilm
43 Min
AT 2020
Michi, Inga und Evelyn sind drei starke Frauen, die häusliche Gewalt in ihren Beziehungen erlebt haben. Traumatisiert durch diese Erfahrungen sehen sie lange keine andere Perspektive als in der Gewaltspirale auszuharren. Erst als die Gewalt ihren Höhepunkt erreicht, beschließen die Frauen mit Hilfe von außen zu fliehen und ein neues Leben zu wagen.
Buch/Regie: Carola Mair
Kamera/Schnitt: Erik Etschel
Ton: Armin Lehner
Sound: Achleitner& Zotter
Tanz: Tauschfühlung
simone hooymans
drawings in (e)motion
17.09.2021, 18.00
„An invitation into an eternally changeable world where something sprouts and withers away, something explodes and takes on a new form.”
Talking Plants, Videostill 2020
Mit ihren experimentellen Animationsfilmen kreiert die niederländische Künstlerin Simone Hooymans ein faszinierendes, zuweilen hypnotisierendes Universum. Ihre bildgewaltigen Erzählungen sind voller Poesie und Anmut und verdichten sich fließend zu mythischen Welten und zu eigentümlichen Szenarien. Diese wirken unmittelbar auf den/die Betrachter*in. Ihre Arbeiten entfalten eine eindringliche Kraft und lösen eine reflexive Auseinandersetzung über Verhältnisse von Natur und Mensch, von Urbanisierung und Naturraum, von überbordender Technologie und der Sehnsucht nach Harmonie aus. Tuschezeichnungen und Farbbilder kombiniert sie mit 3D-Computertechnologie sowie perfekt abgestimmten Soundkulissen, die (syn)ästhetisch die Eindringlichkeit und Prägnanz ihrer Animationen verstärken.
Simone Hooymans wurde 1974 in den Niederlanden geboren und studierte Bildende Kunst an den Universitäten in Breda und Arnhem. Seit 2010 lebt und arbeitet sie in Ålvik, Norway. Mit ihren Zeichnungen, Videoinstallationen und Animationsfilmen war und ist sie an zahlreichen internationalen Ausstellungen und Filmfestivals beteiligt, eine Vielzahl ihrer Arbeiten ist mehrfach prämiert und ausgezeichnet worden.
Earthfall
2019, Animation, 6:19 min
In dieser 3D-Animation untersucht Simone die transformierende Kraft einer Krise. Landschaften, Stadtansichten und abstrakte Formen bewegen sich langsam, während sie zu einer Lawine werden, die alles zu zerstören droht. Doch aus den Trümmern und dem Chaos entwächst die Perspektive auf einen Neuanfang: Unbekannt und undefiniert, aber vielleicht hoffnungsvoll? Der Film ist eine symbolische Erkundung der aktuellen globalen Herausforderungen, verbunden mit einer inneren Reise wie eine Krise persönliche Veränderungen bedingen kann.
Broken Horizon
2008, Animation, 4:48
Aus einem Meer voller Eisberge steigen grüne Hügel auf. Kurvenreiche Straßen und ein baumartiger Wald lassen die bis dahin unberührte Landschaft wachsen, greifen in diese ein und verändern sie. Eine Stadt formiert sich, dunkel und unnahbar. Doch wenn die Nacht hereinbricht und die Lichter angehen, kehrt das Wasser zurück. Der einkehrende Transformationsprozess widersetzt sich der Vereinnahmung der Natur durch den Menschen.
After Office Hours
2012, Animation, 4:34 min
Was passiert, wenn die Tage der Menschheit vorbei sind und die Natur wieder regiert. Was passiert, wenn `das Büro´ geschlossen ist? After Office Hours unternimmt eine anmutende Gedankenreise, die sich einer von (Business-)Männern übernommenen Welt entgegenstellt.
Rett Ned
2017, Animation, 6:57 min
Rett Ned („Direkt nach unten“) nimmt uns mit auf eine Reise an unerwartete Orte und immaterielle, teils düster-dunkle Welten. Sukzessive entfaltet sich eine alternative Realität, die einen außerirdischen und bedrohlichen Unterton hat. Die Animation ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der Band `Building Instrument´.
All that space between us
2018, 5:00 Min
Als Videoloop für Bewohner*innen und Gäste des niederländischen The Rijtven-Hauses, einer Gemeinschaft von Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen konzipiert, setzt sich dieser Animationsfilm behutsam, fast sanft, mit dem Entstehen, der Bedeutung und der individuellen Verortung von Erinnerung auseinander. Das Sujet des Vorhangs direkt aufgreifend enthüllt dieser die Welt dahinter. Eine Welt, die aus Schichten von Erinnerungen besteht. Erinnerungen an die Vergangenheit oder einer Zeit, die erst kommen wird?
Talking Plants
Sound-/Videoinstallation, 2020, 6:07 Min
Diese synoptische Arbeit lässt prächtige, jedoch eigenwillige, Pflanzen in einer mystischen Atmosphäre agieren. Zusammen mit Klangminiaturen von zwölf internationalen Komponist*innen, die für jene Pflanzen, die die Hauptdarstellerinnen der Animation sind, Miniatur-Klanglandschaften geschaffen haben, wird das Werk zu einer außergewöhnlichen und geheimnisvollen botanischen Videoinstallation.