Filmlounge 2022
Atmosphäre und Authentizität

filmlounge 2022
Atmosphäre & Authentizität

1. Oktober ab 17h
Screenings und anschließender Artist Talk mit Kurator Max Lehner
Ab 20:00 Wiederholung aller Filme

Eintritt ist frei

17:00
Luz Olivares Capelle, Apariciones
2014, 23'
Gespräch in Deutsch


17:45
P. Staff, On Venus
2019, 13'
Talk in English


18:30
Maja Hodošček, For Your Pleasure
2021, 28' 23''
Talk in English'


Ab 20:00
Wiederholung aller Filme

Als Reaktion auf das sehsaal-Jahresthema „Atmosphäre & Authentizität“ erforscht die Filmlounge Ränder des Authentischen und fragt, wie Atmosphären unsere Erwartungen und Einschätzungen beeinflussen. Authentizität ist eine prägende Kategorie, die oft für Personen, Orte, Dinge und Produkte in Anschlag gebracht wird, die diese nicht wirklich erfüllen können. Wann gilt etwas oder jemand als authentisch? Ist es die Erfüllung von Erwartungen oder der Bruch mit all dem?

Drei Kurzfilme von Luz Olivares Capelle, Maja Hodošček und P Staff stellen implizit die Illusion authentischer Subjektivität infrage, indem sie das Netz von Einflüssen sowie vage Andeutungen, Ahnungen oder Atmosphären, die oft unsere Wahrnehmung beeinflussen, thematisieren – und zeigen, dass es immer mehr gibt als ‚das Authentische‘ oder ‚die Atmosphäre‘. Wenn affektive Qualitäten ebenso viel Gewicht haben wie Subjektives, Gefühl und Fakten, ist möglicherweise die Relation zwischen diesen Polen wichtiger – und wir können Atmosphäre und Authentizität nicht getrennt voneinander sehen. Vielmehr müssen wir dekonstruieren, welche Normen oder Themen die Wahrnehmung und Erwartungen an uns, andere und anderes bestimmen.

Liegt das Authentische letzten Endes in der Atmosphäre, einem Gefühl, dem nicht Greif- und Fassbaren?

Kuratiert von Maximilian Lehner

 

Maximilian Lehner
(*1990, Österreich), Kurator und Kunstwissenschaftler, ist Mitgründer des Produktionsbüros The Real Office. Kunst und Realität (RO) in Stuttgart und ist von 2016-2022 Universitätsassistent am Institut für Kunst in gegenwärtigen Kontexten und Medien der KU Linz. Neben Projekten mit RO kuratiert(e) er Ausstellungen für ElectroPutere (Bukarest), Galerija Škuc (Ljubljana), Salzburger Kunstverein, Fünfzigzwanzig (Salzburg), Jutro/Blok Nova Baza (Zagreb), sehsaal (Wien) und aqb (Budapest). Seine Texte wurden bei Artforum, BLOK, Kajet, Revista Arta und etc.magazine sowie in wissenschaftlichen Publikationen und Künstler_innenbüchern veröffentlicht. Maximilian Lehner studierte Kunstwissenschaft und Philosophie in Paris, Stuttgart und Linz, absolvierte kuratorische Kurse an der Salzburger Sommerakademie, dem ECCA Cluj und verfolgt ein Studium am CuratorLab der Konstfack Stockholm.

Luz Olivares Capelle
Apariciones
2014, 23'

Apariciones ist der Versuch, Erscheinen und Verschwinden bildlich zu fassen, eine filmische Dokumentation der beiden Vorgänge. Im Film erzählen Personen, die wir nicht sehen, von besonderen Erscheinungen und deren Einfluss auf persönliche Entscheidungen. Im Wechsel dazu sehen wir, wie Luz Olivares Capelle sich visuell flüchtigen und nicht greifbaren Momenten annähert, sowohl mit verfremdeten Aufnahmen als auch abstrakten animierten Sequenzen und photochemischen Experimenten mit analogem Film. Die Arbeit der Künstlerin als Ganzes funktioniert wie eine Collage, in der die Bilder assoziative Verbindungen mit den Erzählungen eingehen. Obwohl – oder gerade weil – Apariciones mit dieser Offenheit arbeitet, dass wir selbst Verbindungen herstellen oder uns sogar selbst Bilder vorstellen müssen, vermag der Film es, das Erscheinen und sein Gegenteil als übersinnliche und reale Größe zu situieren.

Luz Olivares Capelle

(*1983, Argentinien) hat Regie an der E.N.E.R.C. (Nationalinstitut für filmische Experimentation und Produktion) Buenos Aires, Grafik an der Akademie der Bildenden Künste und Regie an der Filmakademie Wien, Universität für Musik und darstellende Kunst bei Michael Haneke studiert. Ihre Filme wurden in verschiedenen Kunstgalerien und Museen sowie bei Festivals wie dem Internationalen Film Festival Rotterdam, der Viennale, Karlovy Vary IFF, im Museum of the Moving Image NY, im M.A.L.B.A. Buenos Aires u.a.m. gezeigt. Sie wurde u. A. mit dem Österreichischen Filmpreis, dem Max Ophüls Filmpreis, mit dem Grand Prix International Short Award beim Cork Film Festival, bei der Diagonale und dem Vienna Shorts Festival mit dem Preis für den Besten Narrativen Kurzfilm, sowie mit dem Thomas-Pluch-Drehbuch-Preis ausgezeichnet.

P. Staff
On Venus

2019, 13'

P Staffs Kurzfilm besteht aus zwei Teilen: Der erste zeigt Aufnahmen der industriellen Gewinnung tierischer Produkte wie Urin, Samenflüssigkeit, Fleisch, Haut und Fell. Die visuelle Veränderung der Bilder lenkt die Betrachtung weg von einem normierenden Blick. Sowohl das, was gezeigt wird, als auch die Bearbeitung des Ausgangsmaterials verweisen auf andere, nicht-menschliche Perspektiven sowie die Sichtbarkeit von und das Einfühlungsvermögen zu anderen Körpern. Die zweite Hälfte des Films ist ein Gedicht, das ein Leben auf der Venus beschreibt. Der Planet mit einer für Menschen giftige Atmosphäre wird darin zur Metapher zwischen Tod und Leben, die eine Anpassung oder alternative Lebensformen notwendig macht. Die feindlichen Bedingungen betonen den Einfluss der Umgebung auf das, was überhaupt als normal oder lebensmöglich anerkannt wird, ebenso wie der industrielle Umgang mit Tieren eine Grenze zwischen lebensunwürdig und schutzbedürftig anhand der Spezies und unterschiedlicher Körper zieht.

 

P Staff

(*1987, Großbritannien) arbeitet in Los Angeles und London künstlerisch in den Medien Video, Skulptur und Poesie und erforscht darin die in das Werden menschlicher Subjekte eingeschriebenen Schichten der Gewalt, um zu hinterfragen, was in den Bedingungen von trans und queerem Leben ständig auf dem Spiel steht.
Die Arbeiten wurden in Soloausstellungen in Serpentine Galleries, UK (2019); MOCA, USA (2017); und Spike Island, UK (2016) präsentiert. Die lezten Gruppenausstellungen waren etwa bei The Milk of Dream, 59. Biennale von Venedig (2022); Prelude, LUMA Arles, Frankreich (2022); Bodies of Water, 13. Shanghai Biennale (2021); Made in LA, Hammer Museum (2018); Trigger, New Museum (2017); und die British Art Show 8 (2016).

Maja Hodošček
For Your Pleasure
2021, 28' 23''

Eine slowenische Schauspielerin performt mehrere Stunden allein vor der Kamera, ohne Skript und Anweisungen. For Your Pleasure ist Teil einer Serie der Künstlerin, in der immer dieselbe Ausgangssituation Einblicke in unterschiedliche Subjekte bietet: ein leerer Raum mit schwarzem Vorhang, ein Stuhl und eine Kamera, die durchgehend filmt. Die ständige Beobachtung führt bei der Schauspielerin dazu, hauptsächlich über ihre Situation und die an sie gestellten Erwartungen zu reflektieren – ohne Selbstzensur. Im Film entsteht aus dem Anschein eines authentischen Bilds ihrer Selbst, aus ihren Äußerungen und Bewegungen ein Verweis auf die neoliberale Struktur unserer Gesellschaft, wie tief etwa Machtstrukturen zwischen Regie und Schauspiel verwurzelt sind oder wie bestimmte Kategorien aufgerufen werden, ohne diese explizit zu machen.

Maja Hodošček

(*1984, Slowenien) ist Künstlerin, Pädagogin und Forscherin. An der Schnittstelle von Kunst, Bildung, Politik und Alltag produziert sie Videoarbeiten, Installationen und initiiert Workshops. In Bewegtbildern beschäftigt sie sich mit unterschiedlichen sozialen Gruppen und möglichen Lernumgebungen.
Ihre Arbeiten wurden in Gruppenausstellungen wie Hidden Curriculum, tranzit.sk, Bratislava; Silence is Deafness Here, Gallery Podroom, Belgrad; Beyond the Globe, Moderna galerija, Ljubljana, South by South East, Guangdong Times Museum, China; Pipe Dream, Kunsthalle Exnergasse, Wien sowie Travelling Communiqué, Museum of Yugoslav History, Belgrad präsentiert. Solopräsentationen waren zu sehen in Dom omladine, Belgrade, Museum of Contemporary Art – MSUM, Ljubljana, Miroslav Kraljević Gallery, Zagreb, ŠKUC Gallery Ljubljana, Gallery Gregor Podnar, Ljubljana, etc. 2020 erhielt sie den Rihard Jakopič Preis für ihre künstlerischen Leistungen, 2010 den OHO Award.